Copyright!

Achtung Copyright! Alle Inhalte auf diesem Blog sind Eigentum von Marina Felder und Marco Ramseier. Für jegliche Art von Weiterverwendung, insbesondere Abdruck, wende man sich an familienreise (at) gmail.com

4. November 2013

Die Maya von Chamula

San Juan Chamula liegt in den Bergen Chiapas unweit der Stadt San Cristobal de las Casas. In Chamula leben wahrscheinlich ausschliesslich Indigene, Nachfahren der Maya. Viele Chamuler sprechen kein Spanisch, sondern ausschliesslich den Maya-Dialekt Tsotsil. Das ist an sich in Chiapas keine Besonderheit. Doch die Menschen in Chamula sind bekannt für ihr hartnäckiges Festhalten an der indigenen Kultur. Insbesondere im Glauben ergab das eine einzigartige Mischung zwischen Katholizismus und Schamanentum.


Bei vielen Menschen in San Cristobal gelten die Einwohner von Chamula als störrisch und faul. Tastsache ist, dass sie sich erfolgreicher als andere Dörfer gegen äussere Einflüsse zur Wehr setzen. Zwei Revolutionen gingen von Chamula aus, seit dem Zapatistenaufstand in den 1990-er Jahren wird das Dorf autonom regiert. Die Chamuler haben eine eigene Polizeikraft und ein eigenes Justizsystem, das Polygamie erlaubt und auch vor drastischen Massnahmen nicht zurückschreckt. Die Todesstrafe wird angewendet. Häufiger aber ist der Ausschluss aus der Gemeinschaft. In San Cristobal sollen rund 30 000 Chamuler leben, die in den 1970-er Jahren ausgeschlossen wurden, nachdem sie von evangelikalen Gemeinschaften konvertiert wurden.
Touristen sind in Chamula zwar eine Tatsache, aber eigentlich nicht sonderlich willkommen. Es gibt keine Hotels im Dorf. Fotografieren ist sehr beschränkt und angesichts des oben genannten Justizsystems lohnt es sich nicht, Risiken einzugehen. Viele Touristen besuchen Chamula daher mit einer geführten Tour. Aus eigener Erfahrung kann ich César weiter empfehlen. Wer Chamula auf eigene Faust besuchen will, sollte sich keine Hoffnung auf Kontakt mit den Einheimischen machen, selbst wenn man den Tsotsil-Willkommensgruss kennt: "Li'ote" :)

Der Glaube
Hauptattraktion in Chamula ist die Kirche am Marktplatz. Eigentlich ist es eine katholische Kirche, der Vatikan wurde aber vor längerer Zeit daraus vertrieben. Nur zu Taufen kommt der Priester von San Cristobal vorbei, ansonsten werden keine katholischen Sakaramente in der Kirche erteilt. Der Vatikan scheiterte auch darin, Schamanen und ihre Bräuche aus der Kirche zu verbannen. Die ersten Anthropologen missdeuteten die grünen Kreuze vor der Kirche als christliche Symbole, in Wahrheit symbolisieren sie aber die Axis Mundi der Maya-Weltvorstellung.
Nebst den weltlichen Führern, die bezahlt sind und jedes Jahr nach einem rotierenden System neu gewählt werden, gibt es in Chamula auch zahlreiche religiöse Führer. Diese arbeiten ehrenamtlich (erhalten aber selbstverständlich "Spenden" der Gläubigen und Touristen). Sie sind dafür verantwortlich, die Götter der Dorfgemeinschaft gnädig zu erhalten. Dazu müssen sie täglich zahlreiche Rituale ausüben und auch ihre Frauen sind aktiv involviert. Sie waren es denn auch, die bei unserem Besuch das Gebetshaus (nicht die Kirche, sondern das Haus des Priesters) in Stand hielten. Der geistliche Führer war gerade betrunken vom vielen "rituellen Schnapps" Posh, was aber keinen wirklich zu stören schien.

Die zahlreichen Priester sorgen gemeinsam dafür, dass die Kirche sauber und ordentlich bleibt. Der Boden der Kirche ist mit Piniennadeln ausgelegt. Sorgfältig angeordnete Kerzen brennen überall auf dem Boden, Rauch vom duftenden Harz erfüllt den eher dunklen Raum. Es gibt keine Bänke, die Gläubigen knien am Boden oder stehen vor den – katholischen! – Heiligenfiguren.
Während in der Kirche keine offizielle Messe zelebriert wird, führen Schamanen (nicht die Priester!) dort regelmässig Ritual durch. Meistens geht es darum, Einzelpersonen von Unglück zu befreien. Unglück wird gelegentlich darauf hin zurück geführt, dass sich der Geist unfreiwillig vom Körper entfernt hat und zurückgeholt werden muss. Nach der Diagnose durch den Schamanen besorgen die betroffenen Familien die für das Ritual nötigen Hilfsmittel, die anschliessend in der Zeremonie geopfert werden. Das sind Kerzen, Süssgetränke, Posh und lebendige Hühner. Die Farbe des Huhns/Hahns ist entscheidend, ebenso die Farbe der Kerzen und der Süssgetränke. Als amüsierende Anekdote bekannt ist das Opfern von CocaCola-Flaschen. Aber auch Fanta, Sprite und Himbeerlimonade werden dargebracht. Sie ersetzten in neuerer Zeit die traditionellen Maisgetränke, welche einst aus vier verschieden farbigen Maiskolben hergestellt wurden (weiss, gelb, rot und schwarz). Gemäss mancher Quellen sollen diese Getränke den Schamanen das Rülpsen erleichtern, was Bestandteil des Heilungsrituals sei. Schliesslich haben auch die Kerzen ihre Bedeutungen, rot, gelb, grün, schwarz, mehrfarbige oder Tierfett-Kerzen. Am häufigsten sind aber die weissen Kerzen, die schlicht als Tortillas für die Götter gedeutet werden.

Zinacantan
Im Gegensatz zu den Chamulern gelten die Einwohner des benachbarten Dörfchens Zinacantan als "anständig", "sauber" und "fleissig". In erster Linie aber sind sie angepasster. Der Vatikan hat in der Kirche noch das Sagen, auch wenn die Maya-Religion und -Kultur wie in Chamula noch immer weit verbreitet ist. So haben auch die Einwohner von Zinacantan ihre alten Götter erfolgreich in die unzähligen katholischen Heiligen integriert. Selbst Jesus und Maria haben ihre Doppelbedeutung als Sonne und Mond. Zur Verehrung der Heiligen werden prähispanische Bräuche angewandt, was von der Kirche offenbar toleriert wird. Die Kirche wird wie in Chamula von religiösen Führern gepflegt, die ihre eigenen Rituale pflegen. Schamane und Hühner jedoch, die sind in der Kirche von Zinacantan verboten.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen